Kalenderwoche 44/2024
Fast wie ein Bruder
Von Alain Claude Sulzer
Der Ich-Erzähler und Frank sind gleich alt und waren 31 Jahre lang Freunde. Ihre Eltern zogen – irgendwo im Ruhrgebiet – gleichentags ins gleiche Wohnhaus. Die beiden Kinder wuchsen wie Geschwister auf. Ihre Beziehung war eng und sie wurden noch unzertrennlicher, als ihre beiden Mütter fast gleichzeitig an Krebs starben…. bis zum unfreiwilligen Coming-out von Frank. Der wurde nämlich in flagranti mit einem Roma- Jungen im Treppenhaus ertapp, was natürlich zu einem grossen Tumult führte und man in der Folge Frank mehr oder weniger zum Auszug zwang.
Frank ging nach New York und wurde Künstler. Er malte wie besessen, blieb aber erfolglos. In New York infizierte er sich mit AIDS und starb.
Franks «künstlerischer» Nachlass erbte sein Freund aus Deutschland. Dieser wohnt nun in Frankreich und hat Franks Werke dort in der Remise seines Hauses abgestellt .. ohne diese nur ein einziges Mal betrachtet zu haben.
Dem Ich-Erzähler bleibt die Homosexualität seines Freundes fremd, und auch dessen Kunst steht er fremd und ignorant gegenüber. Aber genau diese Kunstwerke sind es, die ihm den Jugendfreund wieder nahebringen und er wird schmerzlich seine eigene Begrenztheit erkennen.
Für mich hat der Roman etwas zu abrupt geendet…mich mit vielen Fragen zurückgelassen. Es lässt so aber auch viel Spielraum für eigene Interpretationen.
Sulzer erzählt diese Geschichte in seiner gewohnt unaufgeregten Sprache, wortsicher, wohl überlegt und konzentriert, ich fand kein Wort zu viel. Die 180 Seiten haben eine kompakte, sehr lesenswerte Geschichte in sich. Das Buch hat mir gut gefallen,
Bettina Bartl
am 28. Oktober 2024