Kalenderwoche 22/2023
Als Grossmutter im Regen tanzte
Von Trude Teige
Als Grossmutter im Regen tanzte – ein bewegender Bestseller um ein unbekanntes Stück deutsche Geschichte. Es handelt sich um eine starke Frau in dunklen Zeiten und eine junge Frau, die zurückschauen muss, um nach vorn blicken zu können.
Im Familienroman „Als Grossmutter im Regen tanzte“ verschmelzt die Autorin Trude Teige zwei lange verschwiegene Themen aus der norwegischen und deutschen Geschichte. Auf der einen Seite das Schicksal der Norwegerinnen, die sich während des zweiten Weltkrieges in Deutsche Soldaten verliebten und verächtlich als „Tyskerjenter“ (Deutsch: Deutschflittchen) bezeichnet wurden und auf der anderen Seite den Massensuizid Anfang Mai 1945 beim Einzug der Roten Armee in der Kleinstadt Demmin mit Hunderten von Zivilopfern.
In der Geschichte wird von drei Frauen erzählt – die Grossmutter Thekla, die Mutter Lilla und die vaterlose Juni. Die Handlung spielt sich in zwei Zeitebenen (1945 – 1946) und in der Jetzt-Zeit ab. Die beiden Zeitebenen sind durch verschiedene Schriftarten erkennbar. Als Ich-Erzählerin tritt Juni in der Gegenwart auf und aus früheren Zeiten erfahren wir vom Schicksal der jungen Thekla.
Juni ist auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann. Sie zieht sich ins Haus ihrer verstorbenen Grossmutter Thekla zurück. Beim Räumen entdeckt sei ein Foto, auf welchem ihre Grossmutter Thekla als junge Frau mit einem deutschen Soldaten abgebildet ist. Weiter findet sie die Heiratsurkunde ihrer Grosseltern. Das Datum ist aber verwirrend. Schon seit längerem beschäftigen Juni viele offene Fragen zu ihrer Familiengeschichte. Schon früher wurde sie auf Fragen nach ihrer Familiengeschichte auf später vertröstet. Das Foto und das verwirrende Datum bringt Juni dazu nach Berlin und nach Demmin in Ostdeutschland zu reisen. Sie erhofft sich, Licht ins Familiendunkel zu bringen. Wie zu erwarten ist, stösst sie bei den Nachforschungen auf ein altes Familiengeheimnis.
Die Autorin erzählt beide Zeitspannen sehr intensiv. Beim Lesen hatte ich manchmal das Gefühl, vor Ort zu sein. Ich konnte beim Lesen ins Geschehen gut eintauchen. Obwohl die Erlebnisse von Thekla gehen unter die Haut. Sie hat am Ende des Krieges Sachen erlebt, welche Auswirkungen Tochter Lilla und Enkelin Juni noch spüren. Das Buch ist gut geschrieben aber auch schwer zu ertragen. Ich wurde mit Themen konfrontiert, die mir vollkommen unbekannt waren. Ich empfehle den Roman zum Nachlesen. Er regt zum Nachdenken an und wirkt bestimmt noch lange nach. Wir täuschen uns, wenn wir denken, solches wie im 2. Weltkrieg passiert nicht mehr. Wir sehen es aktuell in der Ukraine und Russland. Die Menschheit ist nicht „gschiider“ geworden.
Denise Meier
am 29. Mai 2023